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«Von 1951-1955 besuchte ich das Lehrerseminar Kreuzlingen. Es war wahrscheinlich im Januar oder Februar 1954, als ich nach einer längeren Kältephase vernahm, dass der Untersee zugefroren sei und man problemlos auf den Schlittschuhen von Ermatingen zur Reichenau fahren könne.

Also fuhr ich auf meinem alten Militärfahrrad von Kreuzlingen nach Ermatingen. Hier war ich nicht alleine auf dem Weg zur Reichenau und zurück: Wahrlich, der ganze See war eine grosse Eisfläche. Also entschloss ich mich kurzerhand, ohne jemandem etwas zu sagen, rund um den See zu fahren.

Dem Ufer entlang nach Steckborn (vor Berlingen krächelte das Eis im Bereich der Bacheinmündung schon etwas unheimlich), über den See nach Gaienhofen, Halbinsel Höri in Richtung Reichenau.

Ein paar 100 Meter vor der Reichenau krächelte auf einmal das Eis, ich fuhr langsamer, überlegend, ob es nicht klüger wäre, umzukehren, stoppte kurz und – schon krachte das Eis und ich sank aufrecht bis zur Brust ins Wasser: Meine beiden Ellbogen an der Eislochkante bewahrten mich vor dem Totaleinsinken.

Vorsichtig konnte ich mich, mich auf den Ellbogen stützend, Richtung Höri drehen, um mich dann bäuchlings einige Meter auf dem Eis Richtung Höri zu schleifen und dann aufzustehen: Das Eis hielt!!! 

So fuhr ich auf meinen Schlittschuhen in meinen wegen der Kälte erstarrenden Kleidern zurück nach Steckborn. 

Weil es schon zu dunkeln begann, getraute ich mich nicht mehr, auf dem Eis nach Ermatingen zu fahren, zog meine Schlittschuhe aus und machte (auf den Socken gehend) Autostopp. 

In Ermatingen am Ufer stand mein Velo neben meinen Schuhen. Dort fand ich noch Hilfe bei den Eltern einer Semi-Kameradin, wo ich mich aufwärmen konnte und trockene Unterwäsche leihweise erhielt, so dass ich dann problemlos zum Konvikt im Semi zurückradeln konnte; trotz der langen Unterkühlung meines Unterkörpers hatte ich mich nicht einmal erkältet! 

Mit dieser Rettung aus dem Eisloch hatte mir der liebe Gott eine zweite Geburt geschenkt. Ich kann ihm nur immer wieder danken!»

Die Taschenbibel, die zusammen mit Walter an diesem Tag ins Wasser fiel, hat er bis heute als Erinnerung aufbewahrt.

 

Ort und Datierung: Untersee, Winter 1954

Objekt: Taschenbibel, 1950er-Jahre

Eingereicht von: Walter